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Argumente gegen Zucht und Vermehrung

Oft werde ich gefragt: "Du hast soviel Wissen über Ratten, warum nutzt Du das nicht um eine Zucht aufzumachen?"
Die Antwort ist immer die gleiche: "Gerade mein doch recht umfassendes Wissen lässt mich zu dem Schluss kommen, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, der für das Züchten von Ratten spricht, aber eine ganze Menge dagegen."

Auf vielfachen Wunsch hin habe ich diese Argumente einmal zusammengefasst. Ich habe mich bemüht die Argumentation möglichst sachlich zu halten, um zu verdeutlichen, dass es hier großteils weder um Meinungen noch um Erfahrungen geht. Auch wenn Erfahrungen und persönliche Ansichten sicher eine Rolle spielen sind die meisten Dinge, die gegen die Zucht sprechen, ganz einfach wissen­schaftliche Fakten, die lediglich durch meine Erfahrung gesondert belegbar sind.
Dass der nachfolgende Text so lang geworden ist, sollte Züchter und Befürworter der Zucht nicht abschrecken, sondern vielmehr ein Grund mehr sein, sich zumindest mit diesen Tatsachen auseinanderzusetzen. Züchtern ist bewusst, dass es im Tierschutz sehr viele Ratten jeden Alters gibt, die auf ein gutes Zuhause warten. Um dennoch Gründe für die Vermehrung ihrer Tiere zu nennen werden oft Behauptungen aufgestellt und nachgeplappert, welche jeder sachlichen Grundlage entbehren.
Die gängigsten Behauptungen sind jene, dass durch ihre Zucht Ratten hervorge­bracht werden, welche gesünder, langlebiger, sozialverträglicher und zahmer als Tiere aus der Notvermittlung sein sollen. Dass dies jede wissenschaftliche Grundlage vermissen lässt, ist ebenso einfach wie ausführlich zu begründen:
Ich werde meine Ausführungen zoologisch, tiermedizinisch und ethologisch be­grün­den um sie anschließend empirisch zu untermauern. Zoologisch betrachtet gibt es bereits zwischen der Farbratte und ihrer Wildform, der Wanderratte, sehr wenige Unterschiede. Dass Wanderratten ein biblisches Alter von 4, 5, 6 oder gar 7 Jahren erreichen ist ein Mythos. Aufgrund des harten Lebens in freier Wildbahn erreichen die meisten Wanderratten sogar kaum ein Jahr.
Der Organismus einer Ratte ist auf schnelle Anpassung und Reproduktion auslegt, nicht auf eine lange Entwicklung, einen langsamen Vermehrungszyklus und ein langes Leben.
Alle bei mir bisher lebenden Wanderratten (von Hand aufgezogene Waisenkinder) erreichten ein vergleichbares Alter wie meine Farbratten. Erkrankungshäufigkeit, Verlauf und die Krankheiten an sich unterschieden sich nicht von denen, welche meine Farbratten bekamen, wenn sie denn krank wurden. Auch die Todesursachen unterschieden sich nicht. Wäre die Wanderratte auf ein längeres Leben ausgerichtet, dann ginge ihre Reproduktion nicht derart zügig vonstatten. Jeder, der sich bereits ein wenig mit Ökologie auseinandergesetzt hat, wird dabei auch gelernt haben, dass bis auf wenige Ausnahmen Tiere, deren Lebenserwartung eher in Wochen oder Monaten als in Jahren gerechnet werden kann, stets sehr viele Jungtiere, die schnell ihrerseits geschlechtsreif werden, auf die Welt bringen, während "mehrjährige" Tiere seltener, wenige Jungtiere gebären und diese sehr zeitintensiv aufgezogen werden. Die Wanderratte gehört definitiv zu den Erstgenannten.
Weiterführende Informationen zu finden unter den Suchbegriffen "r-Strategie"und "k-Strategie".

Fazit aus zoologischer Sicht: Es ist nicht sehr seriös vorzugeben, es gäbe derart gravierende Unterschiede allein im Bereich der Farbratten untereinander, wenn nicht einmal ein nennenswerter biologischer Unterschied zwischen Farb- und Wanderratte besteht. Vorzugeben man könne gesündere, langlebigere Tiere züchten, wenn vorhandene Tiere der Wildform in beidem an nichts nachstehen zeugt entweder von einem niedrigen Wissensstand oder mutwilliger Fehl­information. Tiermedizinisch betrachtet kann die "Argumentation" man würde gesündere, langlebigere
Tiere züchten ebenfalls nicht standhalten. Rattenweibchen sind, wenn halbwegs verant­wortungsvoll gezüchtet wird maximal im Alter von 4 bis 12 Monaten "zuchttauglich". Böcke werden meist ab 5 oder 6 Monaten zum Decken herangezogen. Die Behauptung, dass nur mit gesunden Tieren gezüchtet würde ist somit gut und schön, allerdings sollte hierbei bedacht werden, dass die überwiegende Mehrheit der mir bekannten Ratten in diesem jungen Alter kerngesund waren, unabhängig davon ob sie, sobald sie kaum 1,5 Jahre alt waren kränkelten, früh starben oder uralt wurden.
Die Unsicherheit über die Veranlagungen der Zuchtratten rührt auch von dem Umstand her, dass es tiermedizinisch kaum möglich ist, den Gesundheitszustand einer Ratte mehr als nur klinisch zu beurteilen oder sie gar auf erbliche Krankheiten hin zu untersuchen, wie dies bei der Zuchtzulassung von z.B. Pferden, Hunden und Katzen der Fall ist. Wollte man also wirklich halbwegs sicherstellen, dass nur mit Tieren gezüchtet wird, die sich durch besonders gute Gesundheit bis ins hohe Alter auszeichnen, müsste man theoretisch wie folgt vorgehen: Man besorge für Generation 1, sagen wir 6 blutsfremder Ratten, also 3 Weibchen und 3 Böcke, die wir der Einfachheit halber W1, W2 und W3 und B1, B2 und B3 nennen.
Dann lässt man aus jeder möglichen Verbindung einen Wurf fallen, lässt also jedes der Weibchen einmal von jedem Bock bedecken. Daraus entstehen dann also 9 Würfe. Rechnen wir mal niedrig angesetzt setzen mit 8 Welpen pro Wurf.
Damit haben wir bereits in der ersten "Testgeneration 81 Ratten. Diese Welpen wären dann genau zu katalogisieren und zu bezeichnen:

Weibchen aus W1+B1 = W1/1               Böcke aus W1 und B1 = B1/1
Weibchen aus W1+B2 = W1/2               Böcke aus W1 und B2 = B1/2
Weibchen aus W1+B3 = W1/3               Böcke aus W1 und B3 = B1/3
Weibchen aus W2+B1 = W2/1               Böcke aus W2 und B1 = B2/1
Weibchen aus W2+B2 = W2/2               Böcke aus W2 und B2 = B2/2
Weibchen aus W2+B3 = W2/3               Böcke aus W2 und B3 = B2/3
Weibchen aus W3+B1 = W3/1               Böcke aus W3 und B1 = B3/1
Weibchen aus W3+B2 = W3/2               Böcke aus W3 und B2 = B3/2
Weibchen aus W3+B3 = W3/3               Böcke aus W3 und B3 = B3/3

Jeder, der bereits mehrere Wurfgeschwister hatte, weiß, dass selbst innerhalb eines Wurfes, die gesundheitliche Konstitution, Lebenserwartung und auch der Charakter von Ratte zu Ratte sehr stark unterschiedlich sein können. Man käme also nicht darum herum alle (zumindest die nicht blutsverwandten Tiere) miteinander zu verpaaren. Die Welpen von W1+B1 wären mit denen von W2 +B2 und B3 sowie mit denen von W3+B2 und B3 nicht verwandt. Nimmt man wieder eine 4w und 4m Verteilung pro Wurf an, wären nun also pro Wurf 4 Weibchen, die von 4 Böcken bedeckt werden müssten, also 16 Verpaarungen pro blutsfremdem Wurf und 5 zu verpaarende Würfe insgesamt, ergäbe dies 80 Würfe (Ja, wir befinden uns bereits weit außerhalb dessen, was praktisch machbar ist). Hat man dennoch alle Tiere ordentlich katalogisiert sowie deren Verhalten protokolliert, kann man nun, wenn es so sein sollte, dass beispielsweise W1 und B1 sehr alt werden und immer gesund sowie zahm und sozial waren und dasselbe für ihre Nachkommen gilt, mit wiederum deren Nachkommen züchten, sofern man Partner findet, welche ausreichend wenig verwandt sind und für deren Vorfahren ebenfalls dasselbe gilt.
Selbst bei diesem Vorgehen mit möglicherweise etwa 1000 "Testratten" wäre das Risiko, dass die Ergebnisse mindestens zum Teil auf Zufallswerten basieren, und somit unbrauchbar sind, noch immer sehr groß. Zumal alle "Testratten" "umsonst" geboren sind, wenn sich bereits in den ersten Gene­rationen zeigt, dass eigentlich keines der Tiere geeignet ist. Solch eine Zucht würde dann auch all den Grundsätzen widersprechen, denen sich selbsternannte "seriöse Züchter" zugehörig erklären: Man müsste Massen von Ratten produzieren, die aufgrund ihrer Menge weder vernünftig gehalten noch betreut oder beobachtet werden könnten. Ebenso würde natürlich auch das Handling der Jungtiere auf der Strecke bleiben. Ebenfalls nicht unterbewertet werden sollte der Umstand der "Zuchtzulassung". Werden z.B. Pferde, Hunde oder Katzen mit Papieren gezüchtet so entscheidet nicht der Halter für sich ob sein Tier zuchttauglich ist, sondern mehrere unabhängige Gutachter aufgrund von tiermedizinischen Gutachten, Charakter, Körperbau usw.. Da jeder Tierhalter dazu neigt im eigenen Tier etwas ganz Besonderes zu sehen, ist es durchaus "gefährlich" über die "Zuchttauglichkeit" eines Tieres ausschließlich selbst zu entscheiden. Zu oft lässt der Wunsch die Gene des Lieblings zu erhalten über Kriterien, die eben dieses Tier eigentlich von der Zucht ausschließen sollten, hinwegzusehen. Eine verbindliche Zuchtordnung für Ratten gibt es genauso wenig wie überhaupt irgendeine
"übergeordnete Kontrollinstanz". Im Bestfall achtet ein Züchter darauf, dass keine Farb­schläge miteinander verpaart werden die dupliziert zum Absterben der Welpen führen, sofern er überhaupt ausreichend informiert ist. Es handelt sich also auch bei der noch so "ausgeklügelten Zucht" mit sog. Stamm­bäumen lediglich um das Verpaaren zweier Tiere, die zum Zeitpunkt der Verpaarung gesund ausgesehen haben und ihrem Halter als "zuchttauglich" erschienen - nicht mehr und nicht weniger. Tiermedizinisch und biologisch betrachtet kann über die Lebenserwartung und den Ge­sundheitszustand der so entstehenden Welpen nicht mehr Aussage getroffen werden als bei jedem Rattenwurf, dessen Eltern zufällig zueinander finden (hier sei auch noch angemerkt, dass bei Ratten selbst Inzucht in den ersten Generationen gesundheitlich betrachtet keine Rolle spielt). Das erklärt auch warum mir keinerlei "Erfolge" in Form von Züchtern bekannt sind, die wirklich "gesündere" und "langlebigere" Tiere haben als all die Tiere die ich seit über 14 Jahren aus Notvermittlungen hole. Durchleuchtet man die "Argumente" der Züchter ethologisch (auf Verhaltensebene) kommt man zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Züchter, welche die Behauptung aufstellen, dass bei "ordentlich gezüchteten Ratten" und nur bei diesen eine Garantie auf Menschenbezogenheit, Verträglichkeit mit Artgenossen sowie ein aufgeschlossenes Wesen gegeben werden kann entweder nicht über fundierte Kenntnisse in Sachen Rattenverhalten verfügen, keinerlei nennenswerte Erfahrung im Umgang mit Ratten unterschiedlichster Herkunft haben oder bewusst Falschaussagen tätigen um ihr Handeln zu rechtfertigen und den Absatz zu steigern.
Bereits bei Wildratten die von Menschenhand aufgezogen wurden siegt nicht selten die Neugier über jede Scheu. Bei Farbratten handelt es sich nun in jedem Fall um selektiv gezüchtete Ratten, die seit unzähligen Generationen in Menschenhand leben.
Farbratten kommen zwar als Individuen auf die Welt, jedoch auch fast ausschließlich mit einer Neugier auf den Menschen. Denke ich an Würfe tragender Notratten zurück die bei mir oder mir bekannten Notvermittlern auf die Welt kamen, so ist ihnen gemeinsam, dass alle diese Welpen zu wahren Philanthropen heranwuchsen und dies selbst dann, wenn die Mütter scheu oder sogar bissig waren. Auch war das der Fall, wenn man so überbelegt war, dass man nicht jedes einzelne Baby täglich knuddeln konnte.
Einzelne Individuen die sich trotz bester Sozialisierung nicht für den Menschen interessieren gibt es immer mal vereinzelt. Dies tritt bei Zuchttieren aber ebenso auf. Lernt die Ratte von klein auf den intensiven Kontakt zu Menschen und Artgenossen kennen, wächst in einer stabilen aber nicht einflussarmen Umgebung auf, wird artgerecht gehalten, gefüttert und beschäftigt, so wächst sie zu einer selbstsicheren, zahmen und sozialen Ratte heran, ganz gleich ob, sie bei einem Züchter, einem Notvermittler oder privatem Rattenhalter aufwächst. Dabei spielen die Abstammung, Farbe und Menschenbezogenheit der Eltern, solange sie sicher der domestizierten Form angehören, keine Rolle. So ist zu garantieren, dass es zumindest bei Welpen keine Verhaltensunterschiede zwischen
Zuchttier und Notfallratte gibt. Gleiche Bedingungen führen zu vergleichbarem Verhalten. Bei erwachsenen Tieren mag die Vorgeschichte eine Rolle spielen. Abgesehen davon, dass auch erwachsene Notfallratten ihre Welpenzeit meist in enger Nähe zum Menschen verbracht haben (siehe weiter unten) handelt es sich bei Ratten auch nicht um Enten. Eine Prägung im ethologischen Sinne findet nicht statt. Bei einer Prägung handelt es sich stets um einen Vorgang, der unter keinen Umständen rückgängig gemacht oder nachgeholt werden kann. Bei Ratten muss (wie bei Hund und Katze auch) von Sozialisierung gesprochen werden, die in der Mehrzahl aller Fälle sehr wohl nachgeholt werden kann. Setze ich nun noch weitere empirische Beurteilungen der Zuchtargumente hinzu, werden alle vorhergegangenen Be­trach­tungen untermauert. Ich persönlich habe nun seit 1992 nahezu ununterbrochen Ratten (genau eine Woche war keine Ratte in meinem Haushalt daheim). Ich habe nicht nur privat sondern auch beruflich (bevor ich begann Tiermedizin zu studieren habe ich 4 Jahre in verschiedenen Tierarzt­praxen gearbeitet und auch eine Ausbildung zur Tierarzthelferin abgeschlossen) und nicht zuletzt auch durch meiner Tätigkeit als Notvermittlerin viel mit anderen Rattenhaltern zu tun. Meine "Erfahrungen" stützen sich also nicht nur auf 14 Jahre eigene Rattenhaltung und Notfallvermittlung, sondern auch auf Beobachtungen vieler anderer Rattenhalter (privat und beruflich) sowie auf das Wissen, welches ich mir nicht nur selbstständig angeeignet habe sondern auch in Beruf und Studium vermittelt bekam und bekomme.
Da ich vorrangig große Gruppen halte und gehalten habe ist die Zahl der Tiere die bei mir gelebt haben und leben sehr hoch, also kann man durchaus von Erfahrungen sprechen, die über Einzelfallbewertungen herausgehen. Die meisten Züchter, deren Homepages in den höchsten Tönen die eigene Zucht und Ratten­erfahrung loben und Tierschutztiere "verteufeln" haben deutlich weniger Erfahrung und Wissen vorzuweisen. Sowohl die herben Vorurteile über Notfalltiere und Tierschützer, als auch die "Argumentation" über Behauptungen die fachlich falsch sind haben in diesem geringen Erfahrungsschatz und zu einseitigem Wissensstand ihren Ursprung.
Bei kaum 5 Jahren Rattenhaltung (wovon dann meist schon 3 Jahre "gezüchtet" werden), meist kleinerer Gruppen und schlechter Auswahl der Bezugsquelle der ersten Ratten wird schnell klar, dass es sich bei den "vielen" schlechten Erfahrungen mit Notfalltieren um fehl gedeutete Einzelfälle handeln muss. Ich habe jedenfalls in den letzten 14 Jahren ausschließlich Notfalltiere unterschiedlichster Herkunft gehabt, welche in verschiedenem Alter und nur selten als Welpen zu mir kamen. Viele von ihnen kamen aus katastrophalen Verhältnissen. In der Bilanz (ich werde das bei Gelegenheit mal in Form einer gründlichen Statistik ausarbeiten) waren Tiere, die zu Beginn misstrauisch oder gar bissig waren selten und nur vereinzelt wurde dieses Verhalten bei­behalten. Im Schnitt wurden die bei mir lebenden Ratten 2,5 bis 3 Jahre alt. Mit unter 2 Jahren starben genau 4 Ratten, während 7 Nasen wahrhafte "Methusalems" wurden, indem ein Alter von über 3 Jahren erreicht wurde (hervorzuheben sei hier meine Celia, die mit 3 Jahren und 3 Monaten starb und deren Eltern Geschwister aus einer Futtertierzucht waren.
Wirklich zermürbende, teure und lang andauernde Erkrankungen (Abszesse, Lungen­probleme o.Ä.) kamen bei 6 meiner Ratten vor. Darunter 4 "normale Notfalltiere". Die übelsten Lungengeschichten aller Zeiten hatte Alex, ein Bock den ich aus zweiter Hand bekam, angeblich kam er von einer super seriösen Züchterin.
Die Nummer 6 im Bunde ist meine Wildrättin Melissa, die ohne erkennbaren Grund am ganzen Körper Abszesse bekam, deren vollständige Abheilung erst nach fast dreimonatiger Behandlung erfolgte. Aus all diesen Fakten ziehe ich für mich moralisch das Fazit, dass es keinen Grund gibt Zucht und Vermehrung zu praktizieren oder zu unterstützen, während so viele Notfalltiere auf ein gutes Zuhause warten.
Oftmals bringen Züchter das Gerücht in Umlauf, dass im Tierschutz nahezu ausschließlich alte, kranke, bissige oder sozial unverträgliche Tiere sitzen. Mit der Begründung, dass diese ja auch nicht grundlos abgegeben werden. Diese Aussagen zeugen ebenfalls von wenig Erfahrung bzw. einer sehr einseitigen Sichtweise.

Hier die Erklärung wie die Fakten in der Realität liegen und warum dem so ist:

  1. Die Behauptung, dass es im Tierschutz nur erwachsene Ratten gäbe und man Welpen nur beim Züchter erhält ist schon bei Hunden und Katzen eine Lüge. Mehr noch als bei diesen Tierarten ist es bei Ratten eine Falschaussage. Durch schlechte Beratung im Zoofachhandel, kurzsichtigem Handeln usw. kommen so viele tragende Weibchen und Welpen zu Not­ver­mittlern, dass jeder, der keine erwachsenen Tiere, sondern Babyratten möchte mehr bekom­men könnte als er unterbringen kann.
  2. "Ratten im Tierschutz sind gestört und unsozial, sonst würden sie ja nicht abgegeben." Aus diesem Statement spricht die fehlende Erfahrung mit Tieren gleich welcher Art, die im Tierschutz abgegeben werden. Dass Ratten abgegeben werden, weil sie Probleme machen ist sehr selten der Fall. In den meisten Fällen werden Tiere abgegeben, weil der Halter sie nicht mehr halten kann oder will. In der überwiegenden Mehrzahl dieser Fälle sind diese Tiere aber nicht von klein auf vernachlässigt worden, sondern wurden über einen gewissen Zeitraum durchaus liebevoll gehalten und gepflegt. Da diese Tiere nicht nur wissen wie es ist, von Menschen geliebt zu werden, sondern auch was es bedeutet ein solches Zuhause zu verlieren, ist es häufig so, dass sie eine Anhäng­lichkeit zeigen, die Ihresgleichen sucht. DASS es im Tierschutz auch Tiere gibt die charakterliche oder gesundheitliche "Mängel" haben wird niemand bestreiten. Aber jeder, der nennenswerte Erfahrungen mit seriösen Tierschutzvereinen gemacht hat, kann bestätigen, dass diese "Problemtiere" Ausnahmen sind.
  3. "Im Tierschutz bekommen man ohne Vorwarnung, kranke, bissige oder unsoziale Ratten vermittelt." Solche Aussagen stammen oft von Züchtern, die andernorts auf ihrer Homepage nicht oft genug betonen können, dass sie selbst ja ganz seriös seien und man beim Rattenkauf unbedingt darauf achten müsse, dass man nicht an unseriöse Vermehrer gerät. Eine Begründung warum es nun aber bei Züchtern selbstverständlich ist, dass man die Augen aufhält und einen "Seriösen" auswählt, bei Tierschützern aber ein schlechter garantiert, dass man überall schlecht beraten wird bleibt man dem geneigten Leser schuldig. Tiervermittlung ist Vertrauenssache und dass jedes Tierheim bzw. jeder Notvermittler seriös ist, würde ich niemals behaupten. Sucht man sich aber nach Sympathie, Kompetenz und Einsatz einen Vermittler aus, bei dem man sich gut aufgehoben fühlt, wird man auf beste Beratung treffen, Tiere erhalten, die auch zu einem passen und niemals mit Problemen allein gelassen werden.
  4. "Aber wenn niemand züchtet, dann gibt es irgendwann keine Ratten mehr." Eine Befürchtung, die man oft von Leuten zu hören bekommt, die von Züchtern in dieser Hinsicht verunsichert wurden. Ich kann dafür garantieren, dass dies niemals passieren wird. Die Unterform der Wanderratte, also unsere Farbratte forma domestica wird ganz sicher niemals aussterben. Das liegt nicht nur daran, dass es ein Wunschtraum bleiben wird, dass niemand mehr züchtet oder vermehrt, weil es Notfalltiere gibt. Der Hauptgrund liegt eher darin, dass unsere Heimtierratten von Laborratten und jenen Ratten abstammen, die als Futtertiere für Reptilien, Greifvögel usw. gezüchtet werden. Die Zucht dieser Ratten wird ganz sicher niemals eingestellt werden.
  5. Sind Zuchtratten nun "schlechtere" Ratten als diese aus der Notvermittlung? Nein auf keinen Fall. Aber eben auch nicht "besser" und da liegt dann eben der Hase im Pfeffer. Den Ratten gegenüber, die bereits auf der Welt sind und auf ein gutes Heim warten ist es einfach unfair, Nachschub zu produzieren, obwohl bereits mehr Ratten als gute Abnehmer vorhanden sind. Ganz besonders gilt dies eben, wenn die vorhandenen Notfalltiere dann noch mittels dieser zahlreichen Falschaussagen schlecht geredet werden, um Zuchtwelpen besser verkaufen zu können. Auch sollte der adoptionswillige Rattenfreund sich gut überlegen ob er lieber einen Notver­mittler unterstützen möchte, der viel Zeit, Geld und Nerven investiert, um ungeliebten Ratten ein schönes Zuhause zu suchen oder einen Züchter/Vermehrer, der um des Geldes und Prestige wegen vermehrt und sich zusätzlich dazu nicht nur nicht zu schade ist Notfalltiere mit Falschaussagen schlecht zu reden, sondern auch oftmals mutwillig Qualzuchten pro­duziert, weil sich Ratten mit veränderter Körperform, lockigem Fell und ähnliche Änderungen, die oft ganz erheblich Gesundheit und Lebensqualität einschränken, gut gewinnbringend ver­kaufen lassen. Ist DAS ein Rattenfreund?
  6. Warum gibt es denn überhaupt Rattenzüchter? Dies ist sicher eine Frage, die sich manch Rattenfreund immer wieder kopfschüttelnd stellt. Ist es ja nicht nur der Fall, dass es bisher mehr Notfallratten jeden Alters als Abnehmer gibt, sondern eben auch ein Fakt, dass Zuchttiere weder gesünder, langlebiger noch zahmer oder sozialverträglicher gezüchtet werden können. Dazu kommt dann noch die Tatsache, dass jede Trächtigkeit und Geburt auch Risiken birgt. Jeder Rattenhalter, der seine Rättin decken lässt, geht damit auch das Risiko ein, dass sie unter Trächtigkeit, Geburt und/oder der Jungtieraufzucht leidet oder sogar verstirbt. Die wenigsten Züchter werden wirklich so schlecht informiert sein, dass sie all ihre "Argu­mente für das Züchten" selbst glauben. Eine wichtige Rolle spielt sicherlich Prestige. Es haben sich mittlerweile mehrere Gemein­schaften gebildet, in denen Züchter sich gegenseitig anbeten und in diesem kleinen Rahmen ist man schon jemand, wenn man weiß wie Farben vererbt werden, zuverlässig vorhersagen kann welche Farben die Welpen aus einer bestimmten Verpaarung haben werden und hübsche seltene Farbschläge produziert. Ein weiterer Aspekt, dessen Wichtigkeit kaum ein Züchter nicht vehement dementiert, ist der finanzielle Gewinn. Zuchtrattenwelpen werden oft für 10 bis 30, meist für 15 Euro pro Tier verscheuert. Dabei wird dann behauptet, man würde dennoch draufzahlen. Nach all den Jahren Rattenhaltung kann ich die mit der Haltung und der Jungtieraufzucht verbundenen Kosten ganz gut be­nennen. Nähme ein Notvermittler derartige Summen pro Tier, wäre der finanzielle Verlust deutlich geringer. Die Kosten, die ein Notvermittler mitunter für die Tiere, die er vermittelt, aufwendet, hat aber ein Züchter nicht. Während zum Beispiel ein guter Notvermittler die Ratten stets ins neue Zuhause bringt, lassen die meisten Züchter ihre Welpen abholen oder verschicken sie mit Speditionen, deren Kosten der Übernehmer trägt. Die Ausgaben die mit der Notvermittlung verbunden sind, sind bereits an anderer Stelle auf dieser Homepage aufgelistet. Einem Züchter bleibt der volle Verkaufspreis abzüglich der Aufzuchtskosten. Ein +/-0 könnte man mit Mühe zusammenrechnen, würde man die Kosten für die gesamte Rattenhaltung mit einrechnen. Jedoch wäre das in etwa so, als würde ein Notvermittler die Kosten für die eigenen Tiere in der Bilanz auftauchen lassen. Hält der Züchter die Ratten nun weil er sie liebt? Oder müssen sie die Kosten, die sie verursachen, erst einmal durch die Nachwuchsproduktion wieder einbringen? Gerne wird damit argumentiert, dass hohe Verkaufspreise sicherstellen, dass der Käufer dem Tier gegenüber lebenslang die Verantwortung übernimmt. Schaut man einmal in die Tierheime, sieht man massenweise Rassehunde, die auch beim Hinterhofvermehrer noch 400 bis 600 Euro gekostet haben. Ist einem ein Tier über, so spielt der einst gezahlte Kaufpreis kaum mehr eine Rolle. Die Zukunft des Tieres sichert man durch gewissenhafte Auswahl der Übernehmer, regel­mäßigen Kontakt und einen guten Schutzvertrag. Auch wenn das Einstecken eines hohen Kaufpreises natürlich einfacher und mit weniger Verantwortung verbunden ist.
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Letzte Änderung: Sat Apr 18 22:40:06 2009

Sämtliche Urheberrechte liegen bei Frauke Herbrich.